Nach dem Bombenhagel auf deutsche Städte während des Zweiten Weltkriegs schlug in den Nachkriegsjahren ein Musiktitel nach dem anderen auf den deutschen Boden ein. Viele Lieder sind heute aus der deutschen Popgeschichte einfach nicht mehr wegzudenken, sie sind Ohrwürmer über Generationen geworden.
Seit der Wiedervereinigung kam die Schlagerfabrik allerdings ins Stocken. Als ob im 2+4 Vertrag zwischen den vier Siegermächten und den zwei deutschen Staaten eine Übereinkunft gegeben hätte, die deutsche Popkultur etwas zurücktreten zu lassen, um Platz für die angelsächsischen Hits zu machen. So kennen die meisten jungen Leute heute die Schlager von einst gar nicht mehr und frönen unisono dem globalisierten Hipp-Hopp, Rap oder British Pop.
Schlager gibt es zwar heute noch und es gibt sogar Nischenradios, die sich auf deutsche Schlager spezialisieren, aber an die Originalität und melodiöse sowie musikalische Qualität kommen sie längst nicht mehr heran. Sie sind ein synthetischer Einheitsbrei geworden, der keine künstlerischen Ansprüche mehr hat. Nur der “Deutschpop”, deren banalen Texte immer mehr mit den Textniveau der Schlager verschmelzen, kann hier und da mit originellen Ausreißern aufwarten.
Der Begriff “Schlager” kommt vom Verb “schlagen” und heißt eigentlich nichts anderes als das Gemüt und den Geschmack des Hörers treffen. Er ist ein Volltreffer, ein Musiktitel der auf den Markt “einschlägt”. Im Englischen gibt es dass ähnliche Sinnbild the hit.
Der Schlager wurde zu einer kulturellen Einrichtung, ein Musik-Genre und hat heute nichts mehr damit zu tun, ob das Lied beim breiten Publikum Erfolg hat oder nicht. Der Schlager soll der Unterhaltung dienen, zum Tanzen und Mitsingen. Sozial- oder politkritische Texte hatten in früheren Schlagern nichts zu suchen.
Schlager waren auch das geeignete Mittel des Vergessens. Denn der Krieg brachte viel Leid und Schmerz. Es gab viel zu vergessen, um seelisch halbwegs zu überleben, um wieder Hoffnung und Lebensfreude zu schöpfen. So sang man in den fünfziger Jahren über Liebe und ab den Sechzigern, als es wirtschaftlich wieder aufwärts ging und man genug Geld hatte, um in den Urlaub zu fahren, über die Reise in ferne warme Länder. DieTexte machten den trübseligen und monotonen Arbeitsalltag des immer schneller werdenden Fließbandrhythmus vergessen.
In den Siebzigern schaffte es dann der erste Schlagertext, der auch Menschen mit sozialem Bewusstsein ansprach, ein Text, der über die Folgen der neuen “Zivilisationsdroge” in den Mittelpunkt rügte, über Menschen, die durch das immer schneller und kälter werdende Wirtschaftssystem unter die Räder kamen. So zum Beispiel der Schlager von der damals erst siebzehnjährigen Sängerin Juliane Werding mit dem Titel “Am Tag als Conny Kramer starb“, wo eine Freundin dem Tod ihres besten Freundes nachtrauert, der an einer Überdosis gestorben ist. Oder der später erfolgreiche Boney-M Produzent, Frank Farian, der mit seinem Hit “Rocky” über einen alleinerziehenden Vater singt, dessen Tochter ihn immer wieder an seine Lebensgefährtin erinnert, die frühzeitig an einer Krankheit verstarb.
In den 80er Jahren schafften es immerhin zwei Schlagersänger, die im angespannten Klima des Wettrüstens zweier konkurrierender Gesellschaftssysteme um den Frieden sangen, wie etwa das unvergessliche Lied von Nicole “Ein bisschen Frieden” oder die Eintagsfliege von Nino de Angelo mit seinem Hit “Dann haben wir umsonst gelebt“. Dieser Schlager von Nicol erfreute sich 1982 sogar einem reisenden internationalen Erfolg auf dem Eurovision Liederwettbewerb. Es wäre an dieser Stelle auch der internationale Erfolg von Nena mit “99 Luftballons” erwähnenswert, aber dieses Lied gehört schon nicht mehr zum Genre Schlager und bereicherte die neue musikalische Gegenbewegung der Jugend, die “Neue Deutsche Welle” oder kurz “NDW” genannt, die zusammen mit den Schlagern kurzeitig sogar die angelsächsische Musik aus dem Radio-Äther verdrängte. Es kann daher angenommen werden, dass es von den Siegermächten zunehmend Druck gab, damit in den deutschen Radios, die ja noch in den Fünfzigern von den britischen und us-amerikanischen Kontrolleuren (wie die United States Information Agency) überwacht wurden, wieder mehr englischsprachige Lieder gespielt werden. Selbst us-amerikanische Stars wie Conny Francis und Elvis Presley sollten mit deutschsprachigen Liedern das deutsche Volk verlocken.
Heute hat der Schlager und die deutsche Popmusik an Neuerungs- und Experimentierkraft verloren. Er wagt sich nicht über das angelsächsische Popmuster heraus, bleibt eher mutlos im Nachahmungsmodus der angelsächsischen Mode verhaftet, ohne innovativ und kreativ eigene Ideen entstehen zu lassen. Selbst die Texte sind mit wenigen Ausnahmen brav und ecken nicht an, aus Angst, man würde sie in den großen Radiosendern dann nicht spielen. (Übrigens eine berechtigte Furcht), denn seit sich Nena über die Korona-Maßnahmen bei ihren Konzerten aufgelehnt hat, ist Nena von den Radiowellen verschwunden.
Der Abgesang erfolgreichen Schlagers ist wohl am meisten den Produzenten, Radiosendern und Musikstudios zu verdanken, die immer weniger auf deutschsprachige Musik setzen und sie oft auch schlecht reden oder an den Haaren herbeigezogenen Gründe suchen, um das Grab des deutschen Schlagers oder des Deutschpops weiterzugraben. Quotierungen, die es in anderen Ländern wie Frankreich (40/60 Prozent) gibt, werden als sinnlos erachtet, während Frauenquoten eisern verteidigt werden. Dadurch schmälert sich die Spielzeit für deutschsprachige Lieder auf deutschen Radiosendungen, gleichzeitig verringern sich die Erfolgschancen der deutschen Künstler und damit ihre Einnahmen. Deswegen ziehen es, wie zum Beispiel die Scorpions aus den 80ern oder Lena aus der neueren Zeit vor, auf Englisch zu singen. Aber auch die Kulturpolitik scheint eine unterschwellige Rolle zu spielen, die zunehmend die Pflege der deutschen Sprache in Liedern und Filmen als Deutschtümelei abtun und im Extremfall sogar einen nationalistischen Keim darin zu verspüren meinen, den es um jeden Preis auszumerzen gilt. Denn vielen Deutschen springt sofort das Bild in Erinnerung, wie bei einer Wahlfeier Frau Merkel ihrem Parteigenossen hastig und irritiert eine deutsche Flagge aus den Händen reißt. Die Politik der sprach-kulturellen Vereinheitlichung ist aber nicht nur in Deutschland zu beobachten, obgleich sie hier ganz vehement betrieben wird, sondern auch in anderen europäischen Ländern ist dieses Bestreben nach “Veranglesierung” der Popmusik sehr auffällig: So scheint es heutzutage schon völlig normal, dass beim Eurovision Song Contest die meisten Künstler ihre Lieder auf Englisch singen.
Es stellt sich aber nun die Frage: Warum durfte der Deutsche direkt nach dem Krieg, direkt nach dem deutschen Faschismus, den deutschen Kriegsverbrechen mehr deutschkulturelle Freiheit unter der strengen Kontrolle der Siegermächte genießen, als nach dem Mauerfall? Sicher liegt die Erklärung an den konkurrierenden Gesellschaftssystemen, wo das kapitalistische Deutschland dem sozialistischen Deutschland beweisen sollte, um wieviel mehr kreativer und verführerischer deutsche Künstler in einem “freien” kapitalistischen System sind. Und genau darum ging es: die Verführung der noch zweifelnden und zögernden Deutschen im Osten und sicher auch im Westen Deutschlands, während in der DDR das Dogma galt, nicht den “subversiven” Kulturstil des kapitalistischen Westens nachzuahmen. Auf beiden Seiten des klangdurchlässigen Eisernen Vorhangs fand ein Kulturkampf statt, den der Westen gewonnen hat.
Nachfolgend finden Sie eine Liste der bekanntesten Schlager aus von den 50ern bis zu den 80er Jahren. Ab den 90er Jahren kann man kaum noch von originellen Schlagern sprechen.